Ich stehe auf der Nils Holgersson, als sie pünklich um 22.00 Uhr Travemünde verläßt. Am Ufer blitzen hundert Fotoapparate und ich fühle mich, als seien die Menschen da unten nur wegen mir hier, obwohl ich natürlich weiß: Sie sind es.

Ich habe mir gestern extra meine erste Jonny Cash Platte gekauft (American Recordings) und schiebe zwischen Hannover und Hamburg das Tape ins Kassettendeck und denke: Yeah das brauch ich jetzt: "And I got a woman who knows her man. Drive On! It donīt mean nothing It donīt mean nothing, drive on!" Klar, dass ich diese Scheibe nicht nur einmal gehört habe und es warteten ja auch noch über 700 km auf meinen kleinen grünen Ford Fiesta und mich. Früher konnte ich ihn ja nie leiden, wegen der Farbe und so aber auf so einer langen Fahrt .. na ja da entstehen halt Freundschaften.
Extra früh losgefahren brauche ich mich nicht zu beeilen und es sind auch keine Staus und so komme ich viel zu früh in Travemünde an. Also erst mal Auto abstellen und Stadt anschauen. Am Kai langlaufen, riesige Fähren fahren vorbei. In so ein Hochhaus werde ich später auch meinen neuen Freund stellen. Aber jetzt gehe ich erst mal was essen: Komischen Fisch mit Pommes und seltsamer Senfsauce. Schmeckt nicht wirklich, aber wo soll ich hin mit meinen DM? Später kaufe ich davon noch ne Schachtel Prince Denmark und nen Koffer Becks (24 Dosen a 0,33l). Irgendwie wird mir dann langweilig und ich habe auch keine Lust Houellebecq zu lesen, also fahre ich rüber zur Nils Holgersson: ein Wahnsinns Schiff mit allem was man so braucht: Kino, Casino, Bar, Captains Dinner und natürlich nem Laden, wo man noch mal Alkohol kaufen kann. Ach ja, falls mich mal jemand besuchen kommen will: Ihr dürft einführen: 30 l Bier, 20 l Wein, 3 l Sprit unter 22% und einen Liter Hochprozentiges und dann dürft ihr auch noch 400 Zigaretten drauf legen. Eure Klamotten müßt ihr dann wohl zu Hause lassen, aber ihr könnt dann um so mehr bei H&M einkaufen, die haben hier in Stockholm bestimmt zwanzig Läden oder so, auf alle Fälle ist an jeder Ecke einer, so muß das wohl auch sein mit dem schwedischen C&A.
Na ja ich stapfe da so auf der Nils Holgersson rum und gehe, nachdem ich das Bier im Auto verstaut habe (wer rät wo, bekommt eins), in meine Kabine. Mittlerweile sind auch meine Roomkameraden eingetroffen: Drei Russen (glaube ich), die auf dem Weg nach Helsinki sind, vielleicht auch noch weiter, aber das erzählen sie halt. Ich schnapp mir mein Nils Holgersson Buch (weils so gut passt), die paar Becks, die nicht im Auto sind, und setzte mich auf den ausgekundschafteten Balkon und lese, trinke Bier und rauche ein paar Zigaretten. Die NH legt natürlich pünktlich ab und ich winke den Leuten am Ufer zu. Dann am Leuchtturm vorbei und wir sind auf dem offenen Meer. Ein paar Möwen schaukeln auf den Wellen des Schiffes und sehen dabei aus wie Müll, was wahrscheinlich daran liegt, dass es schon ziemlich dunkel ist. Im Kino läuft Charlies Angels, aber irgendwie ist der Motor dort so laut zu hören, dass man kein Wort versteht, ich putze mir also auf dem Klo die Zähne (das Bad in meiner Kajüte belagern die Russen) und gehe ins Bett und verbringe eine echt erholsame und ruhige Nacht und brauche nicht mal Ohropax.

Pünktlich um 6.30 werden wir geweckt und ich bin der erste im Bad: Duschen, Zähne putzen, Muscle Shirt anziehen und dann geh ich erst mal nen Kaffee trinken. Ich habe das Gefühl, dass hier nur Geschätftsreisende an Bord sind: "War mal wieder ziemlich gut gestern in der Bar. Wo warst du eigentlich?"
"Bin heute mit fahren dran, na ja, du weißt schon.."
Wir kommen ziemlich pünktlich an und als es in mindestens vier Sprachen heißt "Begeben sie sich jetzt bitte zu ihren Fahrzeugen" bin ich eigentlich noch gar nicht fertig. Aber dann muß ich mich halt sputen und ich schaffe es auch noch rechtzeitig. Der nette Herr vom Zoll hält mich natürlich an und will ganz genau wissen, wohin ich denn mit dem ganzen Zeug will. "Nach Stockholm," antworte ich wahrheitsgemäß. "Haben Sie da ein Sommerhaus?"
"Nein, zum studieren."
"Na dann studieren sie mal schön!" und ich darf weiterfahren. Was ich dann auch mache. Zuerst gehts mal Richtung Malmö und von da aus dann nach Helsingborg und ab da dann auf der E4 nach Stockholm. Immergeradeaus. Ist also ziemlich leicht zu finden. Ich höre weiterhin Jonny Cash und fahre Kilometer um Kilometer. Sehe ein Reh im Feld stehen aber keine Elche. Dafür ist alles ziemlich entspannt und ich kann konstant 110 km/h fahren und mehr ist ja eh nicht erlaubt. Um 11 Uhr bin ich dann kurz vor Jönköping und habe die Hälfte geschafft. Wies aussieht werde ich also rechtzeitig in Stockholm ankommen und muß heute abend nicht auf der Strasse schlafen; Super! da mach ich doch erstmal Pause an einem schönen See. Ne Stunde später, wegen Pause und so, komme ich dann am Vättern vorbei und gegen den sind die Seen in Mitteleuropa echt ein Witz. Der hier sieht mehr nach Meer aus. Ziemlich groß also. So um viertel nach zwei lese ich dann "Välkommen till Stockholm" und lass erstmal einen Freudenschrei loß. Als ich am IKEA vorbei fahre, fängt es an zu regnen. Ziemlich stark. Das Wasser fließt in großen Strömen über die Straße und man sieht gar nichts mehr. So ist das hier halt. Und dementsprechend naß werde ich auch als ich meinen Vetrag für mein Zimmer unterschreibe. Als ich auslade, scheint aber schon wieder die Sonne und ich kann am Abend Frisbee Golf spielen. Super!